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Kundenresourcen

Zur Kategorisierung der Ressourcenarten lassen sich Maßstäbe nach materiellen Ressourcen (finanziell, organisatorisch, physisch und technologisch) sowie immateriellen Ressourcen (menschliche Fähigkeiten, Innovationsfähigkeit und Reputation der Marke / Produkt) anführen.[1] Morgan et al. nennen dagegen sechs Arten der Ressourcen, die zur Erzielung von Wettbewerbsvorteilen geeignet sind und in Reputations-, Finanz-, Human-, Kultur-, Beziehungs- sowie Wissensressourcen differenziert sind.[2] Arnould et al. stützen sich auf die Consumer Culture Theory, um Ressourcen in soziale, kulturelle und physische Ressourcen einzuordnen.[3] Ähnlich führen auch Weiber und Ferreira in ihrer erstellten Konsumenten-Wertekette physische, materielle, kulturelle Ressourcen als Kundenressourcen an.[4] In einer umfassenden Darstellung aus der Fachliteratur teilt Ple die Ressourcen in informelle, emotionale, materielle, monetäre, zeitliche, verhaltensbasierte, beziehungsbasierte, soziale, kulturelle, rollenbasierte, fähigkeitsbasierte, bereitschaftsbasierte Ressourcen ein. Der Autor hebt die Bedeutung der immateriellen Werte hervor. Unter den genannten Ressourcen werden die fähigkeits- und bereitschaftsbasierten Ressourcen als Voraussetzungen zur Kundenbeteiligung eingeordnet, die jedoch im Sinne der S-D-Logik auch als ergänzende Ressourcen betrachtet werden können.[5]

 

Payne et al. betonen den Austausch als Praktiken, die den Transfer der Ressourcen (wie Geld, Produkt, Arbeit, Information und Zeit) und den Austausch kollaborativer Praktiken zwischen Kunden und Anbietern umfassen.[6] Eine weitere Differenzierung der Ressourcen wird von Maglio und Spohrer in vier Kategorien vorgestellt. Diese basieren auf Rechten, Eigentum, physischen Einheiten und sozialen Ressourcen. Menschen, Technologien, Organisationen und Informationen bilden demnach den entscheidenden Beitrag zum Wertschöpfungsprozess.[7] Madhavaram und Hunt erweitern die früheren Arbeiten von Barney zur Ressourcenklassifizierung[8] und schlagen sieben Kategorien der Ressourcen vor, die als operande oder operante Ressourcen gruppiert werden können: finanzielle, physische, rechtliche, humanistische, organisatorische, informative und beziehungsbasierte Ressourcen.[9]

Agrawal und Rahman nehmen eine weitere schematische Darstellung der Ressourcen in Anlehnung an Arnould et al. sowie Madhavaram und Hunt vor, die von Kunden und Anbietern bereitgestellt werden.[10] Die kunden- und anbieterseitigen Beiträge schließen sich gegenseitig nicht aus, stattdessen überschneiden sich viele Beiträge verschiedener Ressourcen.[11]

 

     Tabelle: Kunden- und anbieterseitige Ressourcenarten

     (Agrawal und Rahman, 2015)

Zur Wertschöpfung im Sinne des Co-Creation-Ansatzes sind Anbieter gefordert, Ressourcen zu mobilisieren und ihre Fähigkeiten derart zu entwickeln, dass sie zur Aktivierung und Integration kundenbasierter Ressourcen führen, die in der Lebensrealität des Kunden stattfinden.[13] Hierbei erfahren die Ressourcen eine Aufteilung in Kategorien der materiellen (operande Ressourcen) sowie der dynamischen (operante Ressourcen) Ressourcen, die vornehmlich immaterielle Aspekte wie Wissen, Fähigkeiten, Beziehungen beinhalten.[14] Die S‑D-Logik hebt die ko-kreierte Wertschöpfung zusammen mit der Prozessorientierung und den Beziehungen hervor. Kunden fließen darin als endogene Faktoren für die Wertschöpfung mit ein und stellen als solche, operante Ressourcen dar. Service, wie es von der S-D-Logik verwendet wird, ist als die Anwendung der Kompetenzen (Wissen und Fähigkeiten) zum Nutzen anderer Beteiligter (oder des Unternehmens selbst) definiert. Infolgedessen verschiebt die S-D-Logik den Fokus von operanden Ressourcen zu operanten Ressourcen.[15] Menschen tauschen ihr Wissen und ihre Fähigkeiten, um einen Nutzen zu erzielen. Sachgüter werden darunter als Verteilungsmechanismus für die Bereitstellung von Wissen und Fähigkeiten angesehen.[16] Operande Ressourcen stehen für verfügbare materielle Ressourcen, einschließlich ökonomischer Ressourcen und anderer Güter / Materialien, auf die der Einzelne über allokative Fähigkeiten zugreifen kann. Im Gegensatz implizieren operante Ressourcen Merkmale, über die der Einzelne maßgebliche Fähigkeiten besitzt, einschließlich physischer, kultureller und sozialer Ressourcen. Diese operanten Ressourcen und ihre spezifische Konfiguration beeinflussen den Einsatz operander Ressourcen.[17]

 

Aus der S-D-Logik ableitend werden Ressourcen in operante und operande Ressourcen unterteilt.[18] Operante Ressourcen gelten als grundlegende Basis für Wettbewerbsvorteile und werden zur Aktivierung der operanden Ressourcen verwendet.[19] Inspiriert davon haben Arnould et al. die Ressourcen bei Konsumenten näher spezifiziert und unterteilen sie in kulturelle (Wissen / Fähigkeiten, Historie, Vorstellungskraft), soziale (familiäre Beziehungen, Konsumentengemeinschaften, Handelsbeziehungen) und physische (physische und mentale Begabung, Energie, Emotionen, Stärke) Ressourcen.[20] Die physischen Fähigkeiten werden überwiegend den körperlichen Handlungen zugesprochen, die im Finanzdienstleistungssegment eine untergeordnete Relevanz besitzen.[21] In Bezug auf Giddens argumentieren Arnould et al., dass die Ressourcen der Konsumenten mit kulturellen Schemata verknüpft sind, die aus verallgemeinerten Verfahren zur Umsetzung des sozialen Lebens, wie Konventionen, Traditionen, Gewohnheiten usw., bestehen.[22] In dieser Situation zeigen Arnould et al., dass Verbraucher einen signifikanten, aber auch unvorhersehbaren Einfluss auf Wertschöpfungsprozesse haben.[23] Sämtliche Interaktionen aus wirtschaftlichen Handlungen sind jederzeit in institutionellen, sozialen und kulturellen Kontexten eingebettet. Daher sind Manager angehalten, die Perspektiven vielseitiger Stakeholder zu berücksichtigen[24], die über die traditionellen dyadischen Beziehungen (Kunde – Anbieter) weit hinausgehen.[25]

 

Bemerkenswert erscheint, dass Kunden ihre beigemessene Markenbedeutung beim Einsatz ihrer operanten Ressourcen und Co-Creation-Prozesse stets individuell bilden. Darüber hinaus ist festzustellen, dass das soziale und kulturelle Umfeld – hinsichtlich der operanten Ressourcen – vom Verhalten multipler Akteure (z. B. Familien, Medien, Prominente, Behörden) beeinflusst wird.[26] Da Anbieter weder die Handlungen dieser Bedeutungsvermittler noch die Co-Creation-Prozesse der Kunden uneingeschränkt kontrollieren können[27], ist die angestrebte Bedeutung (Markenidentität) nicht unbedingt mit der individuellen, kundenbasierten Markenbedeutung deckungsgleich.[28] Bislang wurde zu diesen Erkenntnissen der identitätsbasierten Markenführung nur wenig Bedeutung beigemessen.[29] Neben den sozialen und kulturellen Ressourcen wird den Wissensressourcen eine hohe Bedeutung zugemessen. Zur Erzielung der Wettbewerbsvorteile wird das Wissen als unternehmerische Kernressource der Unternehmen einhellig bestätigt. Darunter erfährt die Teilung, Erweiterung und Lenkung von Wissensressourcen hohe Bedeutung.[30] Wissen und Fähigkeiten stellen als operante Ressourcen die fundamentale Basis dar.[31] Sie sind in kollaborativer Form zu aktivieren, um die Nutzenaspekte für die Akteure zu realisieren.[32] Aufgrund der hohen Bedeutung der erneuerbaren Wissensbestandteile im Sinne des Co-Creation-Ansatzes sollten sich die Prozesse des Wissensmanagements dem Verfahren anschließen.[33] Finanzdienstleistungen zählen zu wissensintensiven Dienstleistungen[34], basierend auf Wissensressourcen, die in Finanzinstituten als signifikant angesehen werden.[35]

 

Für die vorliegende Arbeit werden aus den theoretisch geschilderten Erkenntnissen die operanten Kundenressourcen im Rahmen der sozialen, kulturellen und wissensbasierten Ressourcen zugrunde gelegt.

 

Operante soziale Ressourcen

Soziale operante Ressourcen sind Netzwerke von Beziehungen zu anderen, einschließlich traditioneller demografischer Gruppierungen (Familien, ethnische Gruppen, soziale Schichten) und aufstrebender Gruppierungen (Marken-, Konsumentengemeinschaften, Subkulturen, Freundschaftsnetzwerke).[36] Eine Reihe von Studien zeigt auf, dass Verbraucher bei der Auswahl einer Marke stark auf ihre sozialen Verbindungen zurückgreifen.[37] Die Wahl der Marke hängt von einer komplexen Mischung aus Produkttyp, Art der sozialen Beziehungen des Verbrauchers und Art der sozialen Struktureinheit ab, der der Verbraucher angehört. Es kann aufgezeigt werden, dass Kunden ihre starken und schwachen sozialen Bindungen unterschiedlich in ihrem Umfeld einsetzen, was sich sowohl auf Makro- als auch auf Mikroebene des Weiterempfehlungsverhalten auswirkt. Darüber hinaus kann festgestellt werden, dass die Mobilisierung sozialer operanter Ressourcen das kulturelle Schema und das Interesse an der Marke beeinflussen.[38] Die gegenseitige Beeinflussung der Verbraucher ist offensichtlich. Erstens stellen mitkonsumierende Gruppen eine Form der Verbrauchergemeinschaft dar. Durch computergestützte Kommunikation (Chatrooms, gesponserte Websites, C2C-Marketing-Netzwerken) haben Verbrauchergruppen eine gewichtigere Stimme bei der gemeinsamen Wertschöpfung als in isolierten Situationen, die in der jüngeren Vergangenheit vorherrschten. Zweitens stellen ko-konsumierende Communities eine wichtige Informationsquelle für die Teilnehmer dar. Mitkonsumenten, die an Markenereignissen teilnehmen, können nicht nur Informationen über Produkte und Marken erhalten, sondern auch kulturelle Verhaltenszüge austauschen, die mit einem kreativen Konsum des Produkts oder der Marke verbunden sind, und diese Erfahrungen richtig interpretieren.[39] Drittens zeigen ko-konsumierende Gruppen oft ein Gefühl moralischer Verantwortung, das sich in der Sozialisierung anderer Ko-Konsumenten niederschlägt. Insbesondere auf der vernetzten Struktur der Beziehungen und Gefühle aufbauend bieten rituelle Aktivitäten in konsumorientierten Gruppierungen die Bildung und Reproduktion von Gemeinschaften. Viertens neigen ko-konsumierende Gruppen dazu, ein relativ feierliches Ethos in den Konsumkontext zu bringen. Kurz gesagt, die Teilnahme an Gruppen, die gemeinsam konsumieren, stärkt die operanten Ressourcen der Verbraucher.[40]

 

Der soziale Kontext impliziert Normen und Werte, die einen tiefgreifenden Einfluss sowohl auf den Dienstleistungsaustausch als auch auf den Wertschöpfungsprozess haben. Die Wahrnehmung der Werte und des Verhaltens der Akteure bei der Nutzung der Ressourcen wird durch die Grenzen der sozialen Strukturen bestimmt, in denen diese aktiv sind, sowie durch deren Positionen und Rollen innerhalb dieser Grenzen. Zum Beispiel wird der Nutzen, der durch einen drahtlosen Breitbanddienst erzielt werden kann, offensichtlich durch das Fehlen eines Computers oder einer Telefonleitung (operande Ressourcen) und / oder durch das Fehlen technischer Kenntnisse und Fähigkeiten (operante Ressourcen) eingeschränkt. Aus diesem einfachen Beispiel lässt sich ableiten, dass sowohl die operanden als auch die operanten Ressourcen jede Austauschhandlung in ein breiteres soziales System einbetten.[41]

 

Ähnlich verhält es sich nach Ansicht des Verfassers bei Payment-, Karten- und Kontosystemen im Finanzsegment. Diese können als Infrastruktur in Form operander Ressourcen eingeordnet werden. Durch kreative Ideen können innovative Konzepte an diese Infrastruktur anknüpfen, in der die Lebens- und Identitätswelten der Kunden mit ihrem Umfeld einbezogen werden (operante Ressourcen) und zu weitreichenden radikalen und disruptiven Entwicklungen führen können. Durch die Kundenbeteiligung im Sinne des Co-Creation-Ansatzes können die sozialen Kundenressourcen hierbei erkenntnisreiche Beiträge zur Wertschöpfung in Kreditinstituten generieren.

 

Operante kulturelle Ressourcen

Operante kulturelle Ressourcen werden als unterschiedliche Arten des Wissens spezialisiertem Kulturkapitals sowie der Fähigkeiten und Ziele beschrieben.[42] Die Ausstattung der Verbraucher mit kulturellen Ressourcen variiert nicht nur in der Quantität, sondern auch in der Qualität. Zum Beispiel zeigen Shouten und McAlexander, dass Subkulturen bestimmter Marken unverwechselbare kulturelle operante Ressourcen einsetzen.[43]

 

In der Verbraucherforschung werden organisierende Formationen identifiziert und ein Verständnis entwickelt, wie Menschen durch ihre Konsumentscheidungen ihr eigenes Leben verwirklichen. Dabei üben so genannte Subkulturen des Konsums einen bemerkenswerten Einfluss aus. Eine Subkultur des Konsums kann als eine eigenständige Untergruppe der Gesellschaft, die sich auf der Grundlage eines gemeinsamen Engagements für eine bestimmte Produktklasse, Marke oder Konsumaktivität selbst auswählt, beschrieben werden.[44] Die Art der operanten Ressourcen der Verbraucher, die in einen Austauschprozess eingebracht werden, wirken sich auf die Werte aus, die sich Verbraucher vom Austausch erwarten und auf die Rollen, die sie selbst sowie die Unternehmen im Austausch tangieren. Unternehmen müssen ein klares Verständnis dafür haben, welche Arten kultureller Ressourcen die Verbraucher in einen Austauschprozess einbringen und wie sie diese Ressourcen nutzen möchten.[45] Die S-D-Logik und die Consumer-Culture-Theory stehen diesbezüglich in einem engen Zusammenhang.[46] Ihre Synthese wurde beispielsweise verwendet, um die Kundenbeteiligung in Markengemeinschaften zu konstatieren.[47] Darüber hinaus wurde ersichtlich, dass neben Nutzenwerten (value-in-use) auch Kontextfaktoren (value-in-context) einfließen[48], die soziale (value-in-social)[49] und kulturelle (value-in-cultural-context) Werteaspekte beinhalten.[50]

 

Diese Kundensicht erscheint auch im kollektiven sozialen Kontext von hoher Relevanz und bspw. in Dienstleistungsinnovationen in einer sozialen Struktur eingebettet zu sein. Nach Sozialtheorien finden alle Aktivitäten, einschließlich der Kundenbeteiligung in Innovationen, im Rahmen sozialer Strukturen statt.[51] Das Hauptaugenmerk liegt nicht mehr darauf, wie Kunden einen Service nutzen, sondern darauf, wie Kunden ihr Leben. Eine kundenzentrierte Sicht erkennt die Relevanz der Routinen, Aktivitäten und Praktiken der Kunden, die die Antwort darauf widerspiegeln, wie sich Kunden normalerweise in ihrem eigenen Lebenskontext und Ökosystem verhalten.[52] Die überwiegende Mehrheit der Marktinteraktionen in der heutigen Konsumkultur wird von „McDonaldized“-Systemen gesteuert, die auf Kosteneffizienz, strenge Kontrolle der Verbraucherpopulation und Prognostizierbarkeit abzielen.[53] In entwickelten Volkswirtschaften (Westeuropa, Nordamerika, Ferner Osten) fördern umfassende Veränderungen in der Konsumkultur eine noch stärkere Kundenfokussierung und Kundenbeteiligung.[54]

 

Die Consumer-Culture-Theorie ist bestrebt, individuelle Bedeutungen für verschiedene Ebenen der kulturellen Strukturen zu verzahnen und diese Beziehungen im historisch- und Marktplatz-basierten Kontext zu lokalisieren. Sie befasst sich grundsätzlich mit kulturellen Bedeutungen, soziohistorischen Einflüssen und der sozialen Dynamik, die die Erfahrungen und Identitäten der Verbraucher in vielfältigen Kontexten des Alltags prägen.[55] Dementsprechend betrachtet die Forschung das Konsumverhalten der Verbraucher[56] anhand sozialer Treffpunkte (z. B. Zuhause, Büro, Handel, Internet, Freizeit, Sehenswürdigkeiten).[57]

 

Die Consumer-Culture-Theorie verfolgt nicht ein homogenes System kollektiv geteilter Bedeutungen, Lebensweisen und einheitlicher Werte, die von Bürgern der Gesellschaft geteilt werden. Sie untersucht stattdessen die heterogene Verteilung der Bedeutungen und die Vielzahl sich überlappender kultureller Gruppierungen, die im breiteren soziohistorischen Rahmen existieren. Die Consumer-Culture-Theorie bezeichnet somit soziale Vereinbarungen, in denen die Beziehungen zwischen gelebter Kultur und sozialen Ressourcen sowie zwischen sinnvollen Lebensweisen und den symbolischen und materiellen Ressourcen über Märkte vermittelt werden.[58] Sie beschreibt ferner, wie Verbraucher symbolische Bedeutungen in den Bereichen des Marketings, der Marken, des Handels, der Einstellungen oder der materiellen Güter aktiv auf ihre persönlichen und sozialen Umstände anpassen und ihre Identität und Lebensstile verwirklichen.[59] Demzufolge bietet der Marktplatz den Verbrauchern eine Klaviatur an Ressourcen, aus denen individuelle und kollektive Identitäten konstruiert werden.[60] Hierzu ist ein Verständnis über das Verbraucherverhalten durch die Beleuchtung soziokulturelle Strukturen zu entwickeln. Diesbezüglich zählen dazu unter anderem identitätsbasierte Konsumentenprojekte (consumer identity projects) und Marktplatzkulturen (marketplace cultures).[61]

 

Unter identitätsbasierten Konsumentenprojekten wird ein ko-produktives Verbraucherverhalten bezeichnet, womit die von Vermarktern erzeugten Leistungen zusammenarbeiten und einen kohärenten Sinn für sich selbst entwickeln.[62] Der Marktplatz ist zu einer herausragenden Quelle symbolischer Ressourcen geworden, durch die Menschen als vollwertige Konsumenten ihre Identität entfalten.[63] Demzufolge können Verbraucher als Identitätssuchende und Identitätserzeuger verstanden werden. Diesbezüglich besteht ein Zusammenhang zwischen Identitätsprojekten der Verbraucher und den Einflüssen des Markts. Der Markt bildet bestimmte Arten von Verbraucherpositionen, woraus den Verbrauchern eine Auswahl bzw. ein Zugang gewährt wird. Während Individuen durch diese Verbraucherpositionen persönliche Ziele verfolgen, bilden und personalisieren sie kulturelle Merkmale, die ihre Identität auf die strukturellen Erfordernisse ausrichtet.[64] Beispielsweise verwenden Verbraucher Marken, um individuelle und kollektive Identitäten zu kommunizieren[65] oder verwirklichen ausgefallene Ideale in Fangemeinschaften im Rahmen von medialen Beiträgen.[66]

 

Im Gegensatz zu traditionell anthropologischen Ansichten des Menschen als Kulturträger sollten Konsumenten als Kulturproduzenten angesehen werden. Eine Strömung der Consumer-Culture-Theory-Forschungen widmet sich den Marktplatzkulturen und hat versucht, die Prozesse unter denen die Konsumkultur in Milieus zugeordnet und deren Auswirkungen auf Menschen ermittelt werden, zu entwirren. Diesbezüglich bestehen Möglichkeiten, in denen Verbraucher Gefühle sozialer Solidarität schmieden und unverwechselbare, fragmentierte und selbstgewählte Kulturwelten bilden, die aus gemeinsamen Konsuminteressen resultieren.[67] Die Verbraucher entwickeln darüber hinaus zunehmend ein kollektives Identifikationsverhalten und beteiligen sich an Ritualen der Solidarität, die auf gemeinsame Interessen des Lebensstils und der Freizeitbeschäftigungen beruhen.[68] Diesbezüglich belegen Studien die erfahrungs- und gemeinschaftsbasierten Konsumaktivitäten, wie Fallschirmspringen[69], Fangemeinden[70] und Konsumgemeinschaften[71], die die kollektive Identifikation fördern und auf gemeinsamen Überzeugungen, Bedeutungen, Mythologien, Ritualen, sozialen Praktiken sowie auf dem Status beruhen.[72]

 

 

Operante Wissensressourcen

Wissensressourcen im Wirtschaftsbereich beziehen sich auf Daten, die aus bedeutungsbasierten Interpretationen für eine unternehmerische Wettbewerbsstrategie relevant erscheinen.[73] Wissen wird als fundamentaler Treiber im globalen Wirtschaftswachstum und Wettbewerb festgestellt. Wissen kann als Information definiert werden, das aus der Kombination mit Erfahrungen, Kontexten, Einflüssen und Reflexionen entsteht. Es bezieht sich auf eine fließende Mischung aus Erfahrungen, Werten, kontextbezogenen Informationen und Fachwissen, welches einen Rahmen zur Bewertung und Einbeziehung neuer Erfahrungen und Informationen bietet.[74] Die Wissensressourcen sind als Kernansatz für die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen anerkannt, dabei wird dem Bereich Kundenwissen (customer knowledge) höhere Beachtung gewidmet.[75] Die Wissenschaft hebt die Bedeutung der Informationen in Bezug auf Kunden, Wettbewerber, Kommunikationskanäle sowie das breitere Marktumfeld zur erfolgreichen Entwicklung und Ausführung einer Marketingstrategie hervor.[76] Geschäftsbereiche und Organisationsstrukturen sind angehalten, sich schneller, agiler, dynamischer und bereichsübergreifend an Veränderungen anzupassen. In der klassischen Auffassung der Wissensbestandteile in Organisationen wird vielfach eine Einordnung des Wissens als interner Unternehmenswert vollzogen. Eine neue Perspektive sollte sich jedoch vom reinen internen Ressourcenbezug distanzieren und Wissensressourcen als soziale, kollaborierende Lernfelder der beteiligten Akteure im Sinne der „knowledge co-creation“ ausrichten.[77] Die Erneuerung des Wissens im Rahmen der Generierung und Anwendung von Wissen auf Basis der Co-Creation-Aktivitäten ist ein wesentlicher Aspekt, den alle Akteure anstreben sollten. Implizite und explizite Aspekte des Wissens sollten dabei berücksichtigt werden.[78] Der Wettbewerb verlangt von Unternehmen eine kontinuierliche Erneuerung und Speicherung expliziter Wissensbestände. Daneben stellt sich jedoch die ebenso relevante Erneuerung des impliziten Wissens als maßgeblich heraus. Die Herausforderung darin wird in der Bereitschaft von Kunden, Lieferanten oder Mitarbeiter gesehen, ihr Wissen zu teilen.[79] Die S-D-Logik fördert das Teilen neuer Ideen und neuen Wissens in Unternehmen mit ihren Kunden und Lieferanten.[80]

 

Nonaka unterscheidet individuelles Wissen von organisatorischem Wissen und argumentiert, dass das menschliche Wissen durch soziale Interaktionen unter Wechselwirkung von implizitem und explizitem Wissen entsteht und erweitert wird.[81] Basierend auf der wegweisenden Arbeit von Polanyi[82] unterscheiden Nonaka und Takeuchi zwischen implizitem Wissen (persönlich, kontextspezifisch, schwer kommunizierbar) und explizitem Wissen (formal, systemisch vermittelbar). Darauf beziehend werden Prozesse vorgeschlagen, in denen das Wissen kontinuierlich aus implizitem und explizitem Wissen generiert wird.[83] Die Ausführungen von Vargo und Lusch nehmen ähnliche Unterscheidungen nach operanten und operandem Wissen vor.[84] Hierzu lassen sich materiell / immateriell geprägte Ressourcen als operande / operante Ressourcen ansetzen.[85] Das implizite Wissen kann demzufolge als operantes Wissen aufgefasst werden und ist direkt in die Wertschöpfungsaktivitäten eingebunden. Dagegen wird das explizite Wissen als operandes Wissen angesehen. Es kann in Form von Speicherdaten vorgehalten und selektiv in die Leistungsprozesse einbezogen werden. Hierzu ist ein Zugang zu kontinuierlich neuem Wissen erforderlich, der neben dem Transfer von funktionsübergreifendem Mitarbeiterwissen den zunehmenden Wissens­austausch mit den Kunden voraussetzt.[86]

 

Die aus der S-D-Logik fundierten Prämissen FP 1 und FP 4 ordnen dem Wissen als operante Ressource hohe Relevanz zu. Gleichermaßen wird der Wissensfaktor in der Ressourcentheorie hervorgehoben.[87] Die Absorptionsfähigkeit erfordert externes Wissen und verbindet dieses mit internem Wissen, damit es für internes Wissen angewandt werden kann.[88] Hierzu ist ein Zugang zu kontinuierlich neuem Wissen erforderlich, das neben dem Transfer von funktionsübergreifendem Mitarbeiterwissen den zunehmenden Wissensaustausch mit den Kunden voraussetzt.[89]

Ballantyne und Varey interpretieren die Begriffe „co-creation of value“ und „co-creation of knowledge“ als spontane, kollaborative und dialogbasierte Interaktionen zur gemeinsamen Wertschöpfung, die mit neuen und einzigartigen Leistungsschöpfungen verknüpft sein sollten, um Wettbewerbsvorteile zu erzielen. Unter einer vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Anbietern und beteiligten Akteuren werden gemeinsame Wissensbestandteile zu neuartigen Möglichkeiten und Kostenoptimierungen beitragen.[90] Es besteht eine interaktive Schleife zwischen den Kenntnissen (Kompetenzen) des Unternehmens und den Beziehungen (Kunden). Neues Wissen treibt Unternehmen in neue Geschäftsbereiche mit neuen Kunden, die wiederum neue Angebote mitgestalten und hierfür das Wissen des Unternehmens nutzen sowie neue Beziehungen gründen.[91] Das Konzept der Co-Creation kann sich für Unternehmensfähigkeiten, wie der Entwicklung und Vermarktung neuer Dienste, durch kundenseitige, wissensbasierte Interaktionen eignen. Während der Interaktion kann innovationsbezogenes Wissen zu einer Neukonfiguration bestehender Kompetenzen im Unternehmen führen, um neue Serviceangebote bereitzustellen und für Kunden Mehrwerte zu bieten.[92] Handlungen im „knowledge-intensive business service“ (KIBS) beinhalten komplexe, unstrukturierte und ausgeprägt kundenbasierte Situationen. Hierzu nehmen die Kunden die Rolle des Co-Creators ein, um an wissensbasierten Lösungen mitzuwirken. Unternehmen benötigen stets den Wissensanteil seitens der Kunden, um erfolgreich zu sein. Hierzu sind KIBS-Partnerschaften erforderlich, die in einer emergenten, multiplen und kollaborativen Weise in die Beziehungen einwirken.[93] Zur Konkretisierung der operanten Wissensressourcen eignet sich die Klassifizierung in Bedürfnis- und Lösungsinformationen.[94]

 

Bedürfnis- und Lösungsinformationen

Bedürfnis- und Lösungsinformationen dienen als relevante Inputfaktoren im Leistungserstellungsverfahren. Ihr Umfang bestimmt das Ausmaß vielfältiger Kombinationsmöglichkeiten, um neues Wissen zu generieren.[95] Unter Bedürfnisinformationen werden sämtliche Wissensaspekte bezüglich der Vorlieben und Bedürfnisse der Kunden assoziiert. Der frühzeitige Einsatz der Bedürfnisinformationen zu Beginn der Innovationsprozesse führt tendenziell zu geringeren Misserfolgen bei der Produkteinführung. Er steigert die Effektivität der Marketingmaßnahmen und erzielt bessere Planungsergebnisse.[96] Insbesondere finanzielle Bedürfnisinformationen beinhalten unbeständige, implizite und heterogene Aspekte.[97] Dagegen beinhalten Lösungsinformationen Wissenselemente zur konkreten Lösung bestehender Probleme / Bedürfnisse. Hierbei werden Effizienzziele verfolgt, um die Wertschöpfungsverfahren optimal nach den vorliegenden Ressourcen auszurichten.[98] Anbieterunternehmen beschäftigen sich in hohem Ausmaß mit Lösungsinformationen, in denen interne Fachexperten auf bereits gesammeltes Wissen zurückgreifen und mit bestehenden Prozessen und Systemen zur Lösungsfindung beitragen. Für den Bereich der inkrementellen Innovationen hat sich dieses Vorgehen bewährt. Für völlig neue Innovationen wird jedoch das Hinzuziehen externer Wissensquellen als erforderlich erachtet, um eine möglichst breite Perspektive zu gewinnen und neue Kombinationsmöglichkeiten der Ressourcen zu kreieren.[99]

 

Die Maxime der Produkt- und Dienstleistungsentwicklung verfolgt das Ziel der kundenseitigen Bedürfnisbefriedigung. Hierzu sind die Bedürfnis- und Lösungsinformationen in einem geeigneten Maße zu verknüpfen.[100] Für Unternehmen erweist sich das Einholen von Kundenwissen aufgrund dessen impliziter Eigenschaften als schwierig.[101] Während explizites Wissen zur Strukturierung, Übertragung und Dokumentation angewendet wird, beinhaltet implizites (tacit knowledge) Wissen oftmals unbewusstes Wissen, dessen Darstellung und Dokumentation schwer fällt.[102] Ähnlich argumentiert Hippel, der implizites Wissen als „sticky information“ bezeichnet. Hierdurch wird das starke Anhaften (sticky = klebrig) des Kundenwissens an den Wissensträger verdeutlicht, was nur mit hohem Aufwand beim Einholen möglich ist.[103] Bedürfnisinformationen beinhalten einen hochgradigen „Stickiness-Faktor“.[104] Der Erfolg der Innovationsmaßnahmen hängt jedoch wesentlich mit dem Einbeziehen der Bedürfnisinformationen zusammen und trägt spürbar zur Reduzierung von Marktrisiken bei.[105]

 

Während in Kreditinstituten das Kundenwissen für Innovationen als wichtig erachtet wird, können sich nur wenige von ihnen vorstellen, Kunden als Kooperationspartner miteinzubeziehen.[106] Kunden, die keine werthaltigen Beiträge im Innovationprozess leisten, scheinen jedoch allein durch ihr Interesse bei Unternehmensinnovationen zum Erfolg zu führen. Dabei wäre es ausreichend, wenn nur ein Teil der Kunden in Innovationsverfahren involviert wäre.[107]

 

Besonders hinsichtlich der hohen Austauschbarkeit von Bankdienstleistungen[108] sind nach Ansicht des Verfassers der vorliegenden Arbeit zusätzlich beziehungsstärkende Elemente in Form der Kundenbeteiligung zu implementieren. Hierzu sind kundenbasierte operante Ressourcen hinsichtlich ihrer Wissensbestandteile und Fähigkeiten mithilfe des Co-Creation-Ansatzes in unternehmerische Entscheidungen einzubeziehen. 

 

 

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